Koordinierungsstelle Marzahn-Hellersdorf

Berliner Großsiedlungen am Scheideweg?

Neue Studie des Kompetenzzentrum Großsiedlungen e.V. zu den Berliner Großsiedlungen erschienen.

In der Studie wurden die sozialen, städtebaulichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen untersucht und Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Entwicklung abgeleitet.
Befunde zur Belegungspolitik, zum Wandel der Sozialstruktur und zum ergänzenden Bauen innerhalb vorhandener Nachbarschaften sind zum Teil auch für die bundesweite Diskussion zur Zukunft der Großsiedlungen von Interesse.

Mit dieser Studie hat sich Kompetenzzentrum Großsiedlungen den großen Wohnsiedlungen der 1960er bis 1980er Jahre gewidmet, in den rund ein Viertel der Berliner Bevölkerung wohnt und deren Bedeutung für den Berliner Wohnungsmarkt als Ganzes nicht unterschätzt werden darf.

Eine behutsame städtebauliche Planung und intensive Betreuung gepaart mit sensibler Belegungspolitik haben bewirkt, dass die Mehrzahl der großen Wohnsiedlungen in einem baulich guten Zustand ist und der soziale Frieden in den Nachbarschaften gewahrt blieb. Allerdings sind die Veränderungen in der Bewohnerstruktur inzwischen so gravierend, dass sie zur Überforderung der Nachbarschaften führen können.

– Anhand des in dieser Form erstmals zusammengestellten Datenmaterials belegt die Studie den gestiegenen Beitrag der Großsiedlungen zur Wohnraumversorgung besonders bedürftiger Haushalte. Hier leben deutlich mehr Haushalte von Transferbezug, ist die Kinderarmut doppelt so hoch, leben mehr Menschen mit Migrationshintergrund als anderswo in Berlin.
– Die Dynamik der Zuwanderung seit 2015 hat die Integrationserfordernisse weiter verstärkt. Die Schnelligkeit der Veränderung in den sozialen Strukturen birgt Konfliktpotenzial und weist darauf hin, dass nicht nur benachteiligte Quartiere weiterhin Unterstützung brauchen, sondern auch die Nachbarschaften in stabilen Siedlungen mit präventiven Maßnahmen gestützt werden müssen.
– Hinzu kommen neue Herausforderungen: In den großen Wohnsiedlungen wird beengter gewohnt als in anderen Quartieren. Die Corona-Pandemie wirkt daher als zusätzlicher Katalysator potenzieller Konflikte.

Insgesamt wird deutlich: Die großen Quartiere schultern soziale Leistungen für die Stadt als Ganzes, die infolge der Anspannung auf dem Wohnungsmarkt zugenommen haben. Sie entlasten damit andere Quartiere. Deshalb brauchen sie mehr politische Aufmerksamkeit und Unterstützung anstelle der zuweilen immer noch anzutreffenden Stigmatisierung in der öffentlichen Meinung.

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Presse:

Berliner Großsiedlungen in Gefahr (FAZ, 23.04.2021)

Studie: Soziales Klima in Großsiedlungen könnte kippen (Süddeutsche Zeitung, 23.04.2021)

Großsiedlungen könnten sozial kippen (Deutschlandfunk Nova, 23.04.2021)

Berliner Großsiedlungen auf dem Weg zu Pariser Banlieues? (Haufe online, 23.04.2021)

 

Soziale Stadtentwicklung: Gelbes Viertel unter Beobachtung – Wo die Armut wohnt

LichtenbergMarzahn+ berichtet:

Hellersdorf. Gegenüber von Mäc-Geiz sitzen zwei Männer mit Bierflaschen in den Händen auf einer Bank, 1,50 Meter Corona-Abstand zwischen sich. Eine Frau schiebt einen alten Mann im Rollstuhl, eine Mutter mit Kind schleppt schwere Einkaufstüten. Vor der Tür des seit 2014 geschlossenen “Haus der Gesundheit” an der Etkar-André-Straße steht ein vietnamesischer Zigarettenhändler. Obwohl er an der frischen Luft ist, trägt er einen Mund-Nasenschutz. Eine Momentaufnahme an einem Vormittag im Gelben Viertel von Hellersdorf.

Kiez ist abgerutscht

Das Wohngebiet zwischen den U-Bahnhöfen Kienberg und Cottbusser Platz sowie der Carola-Neher-Straße ist abgerutscht. Nach den Daten des Monitorings Soziale Stadt 2019 gehört der Kiez nun zu den 42 Vierteln in Berlin, die als Gebiete ausgewiesen werden, die besonderer Aufmerksamkeit und Förderung bedürfen. Alle zwei Jahre lässt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen solche Sozialdaten erheben. Insgesamt 436 Berliner Kieze, die im Bericht als Planungsräume bezeichnet werden, wurden durchleuchtet. Ermittelt wurde der soziale Status der Gebiete – von 1 (hoch) bis 4 (sehr niedrig). Auch die Dynamik von Veränderungen wurden erfasst unter positiv, stabil, negativ. Zentrale Indikatoren dafür waren: Hartz-IV-Bezug und weitere Transferleistungen sowie Kinderarmut. Betrachtet wurden auch weitere Faktoren wie Jugendarbeitslosigkeit, Alleinerziehende und Altersarmut.

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Siehe auch:

Die Banlieues der Hauptstadt – Berlin spaltet sich in ein reiches Zentrum und arme Ränder (Tagesspiegel, 09.06.2020)